Delattinia News

Von Kobolden und Blasebälgen

Datum: 

16.12.2008

Nachdem der diesjährige Herbst den Pilzsammlern und Mykologen ein so reiches Pilzangebot beschert hat, dürfen sich nun die Bryologen auf ein bemerkenswertes Moos freuen, das nach den bisherigen Funden offenbar optimale Wachstumsbedingungen findet, denn seine Kapseln schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden: das Koboldmoos (Buxbaumia aphylla), ein Verwandter des Blasebalgmooses (Diphyscium foliosum), das an ähnlichen Standorten zu finden ist (s.u.).
Beide Laubmoose gehören zur Ordnung der Buxbaumiales, die zwei artenarme Familien umfasst, die Buxbaumiaceae und Diphysciaceae, welche in Mitteleuropa mit jeweils nur zwei bzw. einer Art vertreten sind: das Koboldmoos Buxbaumia aphylla (ferner die im Saarland noch nicht nachgewiesene, in Deutschland sehr seltene B. viridis) und das Blasebalgmoos Diphyscium foliosum, der einzige Vertreter der Diphysciaceen in Europa.
Beide Laubmoose sind in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Systematisch nehmen sie innerhalb der Bryophyten eine Sonderstellung ein, da sie keiner anderen Moos-Familie angeschlossen werden können. Man nimmt daher an, dass es sich um eine phylogenetisch abgeleitete, stark spezialisierte Gruppe handelt, vermutlich letzte Überlebende eines Zweiges, dessen frühere Vertreter ausgestorben sind.

Bemerkenswert sind beide Moosarten auch in ihrer Morphologie. Buxbaumia aphylla (aphylla: "blattlos") besteht praktisch nur noch aus einem Sporophyten, d.h. einem warzigen Stiel (Seta), der eine ovale, an der Oberseite abgeflachte Kapsel trägt, während die Gametophyten (d.h. die eigentlichen Moospflanzen) extrem reduziert und praktisch unsichtbar sind. Das erinnert an die extreme Reduktion des Gametophyten bei den Gefäßpflanzen. Buxbaumia ist also mangels ausreichend eigenen assimilierenden Gewebes in ihrer Ernährung auf die Lebensgemeinschaft mit Humus bewohnenden Pilzen angewiesen. Geht es diesen gut, so gedeihen auch die Koboldmoose. Das erklärt die Häufung der Nachweise nach einem guten Pilzherbst.

 

Bei Diphyscium foliosum (foliosum: "beblättert") dagegen ist der Gametophyt nicht reduziert, er wird durch niedrige Rosetten dunkelgrüner Pflänzchen mit zungenförmigen Blättchen repräsentiert. In den Blatt-rosetten sitzen die, im Gegensatz zu Buxbaumia, ungestielten großen Kapseln.
Beiden Laubmoosen gemeinsam ist eine unter den heimischen Moosen einzigartige Methode, die Sporen auszustreuen, denn sie bedienen sich beide des Blasebalgmechanismus: ihre Kapseln sind, was ungewöhnlich ist im Reich der Moose, asymmetrisch (dorsiventral) gebaut: fallen Regen-tropfen auf die obere, flache und dünnhäutige Kapselwand, so werden die Sporen durch den dadurch entstehenden Druck ausgeschleudert. Es ist derselbe Mechanismus, der bei vielen Bauchpilzen (z.B. den Bovisten) für die Ausstäubung der Sporen sorgt.
 

 


Bemerkenswert ist ferner, dass in einer Population fruchtender Kobold- und Blasebalgmoose alle Kapseln gleich ausgerichtet sind, denn alle Sporogone stellen die flache Kapseloberseite dem maximalen Lichteinfall entgegen (Phototropismus). Das verleiht einer Buxbaumia- oder Diphyscium-Herde den Anschein einer militärisch disziplinierten Truppe.

Das Koboldmoos galt lange als unstete und seltene Art. Das hängt zum einen mit der beschriebenen Ernährungsweise zusammen, zum anderen damit, dass das Zeitfenster für den Nachweis dieser Art nur im Herbst und Winter offen steht, denn erst im Spätherbst erscheinen die Sporogone und die reduzierten Gametophyten sind ja nicht nachweisbar.

Das Blasebalgmoos dagegen, eine bei uns mäßig häufige Art, ist aufgrund seines gut ausgebildeten Gametophyten das ganze Jahr über zu finden. Beide Arten kommen an kalkfreien Standorten vor: an sonnigen bis halbschattigen, ausgehagerten, sandigen, lückig bewachsenen, nicht zu trockenen Wegböschungen, ferner an humosen Sandsteinfelsen in Laubwäldern vor allem der Buntsandsteingebiete. Im Saarbrücken-Kirkeler Wald sind sie sogar relativ häufig. Die intensive Mooskartierung der letzten Jahre im Saarland hat gezeigt, dass sich diese interessante Art als sehr viel häufiger erwiesen hat als bisher angenommen.

Die Literaturangaben von der Seltenheit und Unstetigkeit dieses Mooses bedürfen einer Korrektur. Jedenfalls dürfte die Art nirgendwo in Mitteleuropa eine höhere Bestandsdichte als im Saarland erreichen.

Foto 3: Buxbaumia aphylla, Stafflerhang, Staffelberg, südl. Sengscheid, 11.11.08 (Foto: U. Heseler)

Literatur: 

Frahm, J.-P. 2001: Biologie der Moose. Spektrum Akademischer Verlag, Gustav Fischer, Heidelberg Berlin. S. 101-104
Heseler, U. 1998: Buxbaumia aphylla, Cryphaea heteromalla und Sematophyllum demissum im Saarland: Zur Verbreitung und Gefährdung in Mitteleuropa seltener Laubmoose. Abh. DELATTINIA 24, Saarbrücken, S.81-108.

Autor(en): 

Ulf Heseler

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Massenvermehrung und Exodus der Misthaufenspinne Ostearius melanopygius bei Schengen/Luxemburg

Datum: 

19.10.2008
Am 19. Oktober 2008 zog ein riesiger, ca. 20 x 50 m großer Misthaufen am Westrand der Gemeinde Schengen die Aufmerksamkeit von Elke und Wolfgang Menzel aus Merzig auf sich, da er über und über mit Spinnweben bedeckt war, wie man es sonst eigentlich nur aus diversen Horrorfilmen kennt.

Dieses Phänomen war mir bereits aus der Literatur bekannt, selbst beobachten konnte ich so ein Verhalten allerdings noch niemals. Insbesondere die Art Ostearius melanopygius ist bekannt dafür, dass sie solche Netze auf Komposthaufen und Misthaufen anlegt, und zwar im Zusammenhang mit simultanen Massenauswanderungen mittels Fadenfloss.
Ostearius ist ein Neubürger (Neozoon) mit großem Ausbreitungspotenzial in Europa, der ursprünglich wohl aus Neuseeland stammt. Möglicherweise handelt es sich hierbei auch um die erste Beobachtung dieser Art in Luxemburg.
Ostearius melanopygius
Abb.1: Misthaufen bei Schengen vollständig überzogen mit Spinngewebe (Foto: W. Menzel)
 
Ostearius melanopygius
Abb.2: Die Bewohner des Misthaufens bei Schengen: Ostearius melanopygius (Foto: W. Menzel)
(weitere Fotos in der ->Fotogalerie der Arachnologischen Gesellschaft)

Autor(en): 

A. Staudt

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Felsenspringer an den Hängen des Saartals bei Saarfels

Datum: 

26.09.2008
Aus den zahlreichen Funden von Felsenspringern an den Felsstandorten des Nahe-Berglands in diesem Frühjahr ergibt sich zwanglos, dass diese Tiergruppe auch im Saarland vorkommen muss. Sichtungen undeterminierter Tiere vom Primsdurchbruch liegen ja auch bereits vor (->Bericht)[Link fehlt].

Der jetzige Fund von Lepismachilis y-signata an einem sehr steilen Trockenhang bei Saarfels überraschte mich dann doch ein wenig. Die Tiere hielten sich im alten Blätterfilz von Trespenhorsten (Bromus erectus), die an dem Hang auf kleinen Ameisenhügeln wuchsen, auf. Steiniges Substrat war so gut wie nicht vorhanden.
Obwohl der Hang auf den ersten Blick einen recht natürlichen Eindruck vermittelt (Bewuchs, Verbuschung usw.), erwies sich das Bodensubstrat bei genauerem Hinsehen als eher nicht autochton, sondern als aufgeschüttetes Feinmaterial mit einzelnen bauschuttartigen Beimengungen. Da sich weiter oberhalb ein kleiner "Steinbruch" befindet, der ebenfalls teilweise mit Fremdmaterial verfüllt ist, darf man wohl mit Recht davon ausgehen, dass auch der Hang anthropogenen Ursprungs ist.
Dies erschwert natürlich die Bewertung des Fundorts. Sind die Tiere vielleicht nur eingeschleppt worden? Oder genügt ihnen doch bereits der geringe Anteil von Grobmaterial, wie er für die Muschelkalklandschaften des westlichen Saarlandes typisch ist, als Lebensraum? Oder gibt es bei dieser Artengruppe überhaupt gar keine ursächliche Bindung an steinige Lebensräume?
Foto: Lepismachilis y-signata bei Saarfels

Autor(en): 

A. Staudt

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Fund des seltenen Berg-Johanniskrauts (Hypericum montanum) im Warndt

Datum: 

25.09.2008

Bei der in diesem Jahr laufenden Inventarisierung und Bewertung des Natura 2000-Gebietes "Warndtwald", bei der ich als einer der Gutachter beteiligt bin, entdeckte ich am 25. September 2008 auf einer Rückegasse in einem Buchen-Altholzbestand nebenstehendes Pflänzchen.
Obwohl ich in den fast 30 Jahren, in denen ich nun bereits als Botaniker tätig bin, höchstens eine Handvoll Pflanzen des Berg-Johanniskrauts gesehen habe, war ich sofort felsenfest davon überzeugt, genau diese Art vor mir zu haben.
Nach intensiver Suche im weiteren Umfeld gelang es mir dann schließlich auch, wie erhofft, eine etwas ältere Pflanze zu finden und konnte damit meine Vermutung bestätigen. Es handelte sich tatsächlich um Hypericum montanum, nach meinen bisherigen Erfahrungen eine Art der Felsenlandschaften an Prims und Saar, wie auch SAUER (1998) angibt. Er verzeichnet in seinem Atlas aber auch ein "unbeständiges" Vorkommen im Warndt.

Foto: Jungpflanze von Hypericum montanum  
Foto: Hypericum montanum  

Literatur: 

Georges H. Parent (2007): Hypericum montanum en Lorraine et dans les territoires adjacents. Bull. Soc. Nat. luxemb. 108, 21-33.

Autor(en): 

A. Staudt

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