Die Vorkommen des Moorglöckchens (Wahlenbergia hederacea) im Saar-Ruwer-Hunsrück - Ergebnisse der Neuinventarisierung

Wahlenbergia_hederacea

Das Moorglöckchen (Wahlenbergia hederacea), auch Efeublättriges Moorglöckchen oder Moosglöckchen genannt, ist die Charakterpflanze des westlichen Teils des Hunsrücks. Im Rahmen der Floristischen Kartierung des Saarlandes auf Initiative von Prof. Dr. Rüdiger Mues, dem langjährigen Vorsitzenden der Delattinia, und des Nasswiesen-Projektes des NABU Saarland sollen die heute noch vorhandenen Vorkommen der Art im diesen Teilareal neu inventarisiert werden. Erste Ergebnisse werden hier präsentiert.

Das kleine Pflänzchen aus der Familie der Glockenblumengewächse (Campanulaceae) hat einen fädigen Stängel mit kleinen, bis etwa einen Zentimeter großen Blättern, deren Umriss an die eines Efeus erinnern (Name!). Die niederliegenden Triebe kriechen durch die Vegetation. Ab Mitte Juli bilden sich hellblaue, bis 1 Zentimeter große Blüten. Sie ähneln in der Form denen der bekannten Wiesen-Glockenblumen wie der Rundblättrigen Glockenblume (Campanula rotundifolia), sind jedoch wesentlich kleiner und zierlicher.

Die Vorkommen des Moorglöckchens im Saar-Ruwer-Hunsrück und seinen Randgebieten, sind bedeutendster Vorposten am Ostrand des westeuropäischen Areals der Art.

Wahlenbergia hederacea kommt nur in Südwesteuropa vor und ist demnach ein Europäischer Endemit. In Deutschland war es früher in weiten Teilen Westdeutschlands verbreitet, von Nordwestdeutschland südöstlich Cuxhaven, westlich und südwestlich von Wilhelmshaven, über den Aachener Stadtwald, Köln-Königsforst, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland bis nach Baden-Württemberg.

Heute ist es in Hessen nach Buttler (2012) nur noch in einem Gebiet von vier Topographischen Karten 1:25000 (Messtischblättern, MTBs) nördlich Königstein im Taunus, westlich Bad Homburg, östlich Rüsselsheim und östlich Bad König im Odenwald zu finden, weiterhin in Baden-Württemberg nur noch auf einer Fläche von etwa einem ha im NSG Kreuzmoos bei Emmendingen.

In Rheinland-Pfalz und im Saarland kam es früher in den MTBs 6309, 6310, 6511, 6714, 6306, 6405, 6406, 6408, 6504 und 6606 vor.

Zur Erklärung der Fundstelle im MTB 6309 zitieren Blaufuß & Reichert (1992) Schultz (1861): „Schultz suchte schon 1861 nach den meisten dieser Vorkommen (Anm. Autoren: von Wahlenbergia) vergeblich und fand nur wenige Exemplare im unteren Schönlautenbachtal nahe Idar-Oberstein zwischen Sphagnum an einer Ecke des Waldes (möglicherweise im Quadrant 6309/2).“ Insbesondere der saarländische Botaniker Peter Wolff hat die Gefäßpflanzen in den rheinland-pfälzischen Gebieten östlich des Saarlandes in den MTBs 6310, 6511 und 6714 kartiert. Von ihm wissen wir, dass das Moorglöckchen hier inzwischen schon seit mehreren Jahren leider nicht mehr gefunden wurde. Wiemann (1930) berichtet von einem Wahlenbergia-Vorkommen im Oberthaler Bruch, also im MTB 6408, das in neuerer Zeit nicht mehr bestätigt wurde. Im Saar-Moselgau, im MTB 6504, war Wahlenbergia aus dem Schwarzbruch bei Tünsdorf bekannt, wurde aber auch hier schon seit mehr als 10 Jahren nicht mehr nachgewiesen. SCHULTZ (1846) schreibt über das Wahlenbergia-Vorkommen im MTB 6606: „in den Saargegenden über dem Dorfe Frauenlautern bei Saarlouis.“ Gemeint ist Fraulautern. Dazu ist schon bei Haffner (1961) zu lesen: „Die Wahlenbergia konnte hier nicht mehr bestätigt werden.“

Im Folgenden beschäftigen wir uns mit den Wahlenbergia-Vorkommen im westlichen Saar-Ruwer-Hunsrück und dem Hochwaldvorland . Diese liegen auf den auf den Kartenblättern in den MTBs 6306 (Kell), 6405 (Freudenburg) und 6406 (Losheim) der Topographischen Karte 1 : 25.000 (TK25). und Wire bezeichnen dieses Gebiet als unser Untersuchungsgebiet (UG) . Hier hatten die u.g. Autoren das Moorglöckchen nachgewiesen.

Unser heutiges Wissen über die Verbreitung des Moorglöckchens im UG basiert im Wesentlichen auf den Kartierarbeiten von vier Botanikern unserer Heimat.

Dr. h.c. Paul Haffner (†), Merzig, war der Erste der damals, meist mit dem Fahrrad oder seinem Moped, im UG unterwegs war und schon in einer Publikation von 1961 (Haffner 1961) seine ersten Ergebnisse auch in Form einer Verbreitungskarte publizierte. In einer umfangreichen Arbeit, betitelt „Geobotanische Untersuchungen im Saar-Mosel-Raum“ beschäftigte er sich auch wieder mit Wahlenbergia und präsentierte eine noch detailliertere Verbreitungskarte mit seinen Ergebnissen bis Ende der Achtziger Jahre (Haffner 1991).

Dr. Ingo Holz (†), Greimerath, griff 1989 im Rahmen einer Studienarbeit die Ergebnisse von Haffner wieder auf und versuchte die von Haffner beschriebenen Vorkommen wieder zu finden. Im Rahmen dieser Arbeiten besprach er sich auch immer wieder mit Dr. Haffner und konnte so die meisten Moorglöckchen-Vorkommen, die Haffner kannte, gezielt wieder aufsuchen. Seine Ergebnisse hat er in einer 27-seitigen Arbeit mit Verbreitungskarten dokumentiert (Holz 1989).

Unser Mitautor Dr. Steffen Caspari suchte im Rahmen seiner Diplomarbeit ebenfalls viele Wuchsorte des Moorglöckchens im UG auf, diskutierte die Vorkommen und zeichnete auch eine Verbreitungskarte.

Schließlich hat Dr. Erhard Sauer in seinem Standardwerk der Verbreitung von Gefäßpflanzen im Saarland und angrenzenden Gebieten (Sauer 1993) die Vorkommen von Wahlenbergia im UG in einer weiteren Verbreitungskarte dargestellt.

Viele Angaben der o.g. Autoren gehen auf Kartierarbeiten unseres Mitautors Thomas Schneider zurück, der ihnen für ihre Kartierung seine Ergebnisse zur Verfügung stellte.

Nachdem nun seit den letzten flächendeckenden Untersuchungen zur Verbreitung des Moorglöckchens im UG fast 30 Jahre vergangen sind, erschien es uns dringend geboten, einmal nachzusehen wie es um das Moorglöckchen heute im UG bestellt ist. Bei unseren Kartierarbeiten ab Sommer 2015 konnten wir uns auf die o.a. Ergebnisse stützen und begaben uns auch hauptsächlich in die Gebiete, in denen die o.g. Autoren Wahlenbergia-Standorte genannt hatten. Da das bekannte Verbreitungsgebiet des Moorglöckchens schon groß genug war, hatten wir nicht den Ehrgeiz zusätzlich nach neuen Fundstellen zu suchen. Dennoch gelang es, z. T. zufällig und mit Hilfe vieler weiterer Botaniker, zwei Wahlenbergia-Standorte zu finden, die bis dahin nicht bekannt waren: einer am Unteren Lannenbach bei Mitlosheim und einer am Heisbornbach bei Losheim-Britten. Wir werden unsere Kartierarbeiten im Sommer 2020 abschließen und die Ergebnisse in einer umfangreichen Arbeit im DELATTINIA-Jahresband 2020 publizieren.

Das Moorglöckchen wächst bei uns in für den Laien moorähnlichen Gebieten entlang der vieler Hochwaldbäche, daher sein deutscher Name „Moorglöckchen“. Typische Lebensräume der Art sind moorige und anmoorige Wiesen und Weiden und lichtdurchflutete Auen. Sie besiedelt die bachnahen Bereiche von basenarmen Flachmooren, gemähte oder durch extensive Beweidung offen gehaltenen Waldbinsen-Nasswiesen und Quellmoore über bodensauren Standorten. Das konkurrenzschwache Moorglöckchen ist an eine regelmäßige Mahd oder extensive Beweidung angewiesen. Bei Düngung oder Entwässerung verschwindet es sofort. Nach Brachfallen der Flächen kann es sich eine Zeitlang halten, um dann dem Konkurrenzdruck von Waldsimse (Scripus sylvaticus), Mädesüß (Filipendula ulmaria) oder anderen hochwachsenden Arten zu erliegen. Die Hauptblütezeit des Moorglöckchens liegt in den Monaten Mitte Juli bis Mitte September, nur dann ist es im Gelände auch problemlos zu erkennen.

Zu unseren wichtigsten Ergebnissen zählt, dass wir die Art im Einzugsgebiet der Ruwer und dem Manderner Bach (Blatt Kell, 6306) , nicht mehr angetroffen haben, was nicht unbedingt heißt, dass sie dort verschwunden ist. Es kam bei unseren Arbeiten im Gelände nicht selten vor, dass wir bei einer ersten Exkursion nur wenige Meter an den kleinen, im Gras fast verborgenen Pflanzen mit ihren nur 9-12 mm großen Blüten vorbei gelaufen sind und sie erst bei einer weiteren Exkursion dort entdeckt haben.

In den Einzugsgebieten der Gewässer im südwestlichen Saar-Ruwer-Hunsrück auf den TK25 6405 Freudenburg und 6406 Losheim dagegen wächst Wahlenbergia noch an vielen Stellen, allerdings ist die Art in der Fläche gegenüber den Erhebungen bis Ende der Achtziger Jahre um ca. 50% zurückgegangen. Dies hängt größtenteils damit zusammen, dass die Nasswiesen entlang der Hochwaldbäche früher mindestens einmal im Jahr gemäht wurden. Dadurch wurden die dort häufig vorkommenden Hochstauden wie z. B. das Mädesüß, Filipendula ulmaria, die Spitzblütige Binse, Juncus acutiflorus, der Wolfstrapp, Lycopus europaeus, der Gemeine Gilbweiderich, Lysimachia vulgaris, und die Wald-Simse, Scirpus sylvaticus, zurückgedrängt und das Moorglöckchen bekam zum optimalen Wachstum genügend Licht. Heute bewachsen dichte Hochstauden-Schwaden viele Bachsäume und ersticken die Art.  Ganz wesentlicher Faktor für das Verschwinden des Moorglöckchens entlang des Losheimer Baches ist dessen Bepflanzung mit Erlen. Die anmoorigen Bachränder wurden dadurch ausgetrocknet und zu stark beschattet.. Erfreulich ist dagegen das vermehrte Auftreten der Art im Bereich künstlich angelegter Teiche von Privatleuten oder Angelsportvereinen. Diese Teichränder werden regelmäßig gemäht. Selbst bei einer Mähhöhe von 4-5 cm wird das Wachstum des Moorglöckchens dadurch nicht beeinträchtigt, da es dicht angedrückt von der Sonne beschienen in der Grasnarbe kriecht.

Das Saarland und Rheinland-Pfalz haben heute als Bundesländer mit den größten Wahlenbergia-Vorkommen in ganz Deutschland eine besondere Verantwortung zum Schutz der Art. Nutzungsaufgabe, Düngung und Entwässerung der Nasswiesen und intensive Beweidung werden wohl auch in Zukunft dazu führen, dass sich die Art von ihren Primärstandorten zurückzieht. Dem soll mit gezielten Maßnahmen zum Erhalt dieser Standorte entgegenwirkt werden, die dafür sorgen sollen, dass diese schöne Pflanze nicht aus unserem Gebiet verschwindet.

Literatur

Blaufuß, A. & Reichert, H. (1992): Die Flora des Nahegebietes und Rheinhessens.- Pollichia-Buch 26, 1-1061, Bad Dürkheim.

Buttler, K. P. (2012): Notizen zur Bestandsdynamik des Efeu-Moorglöckchens (Wahlenbergia hederacea) in Hessen.- Ber. Offb. Ver. Naturkde. 112: 3-20.

Caspari, S. (1991): Flora der Moore und Feuchtgebiete im Südwestlichen Hunsrück (Schwerpunkt: Torfmoose) und ihre Verbreitungsmuster im benachbarten linksrheinischen Bergland.- Unveröffentlichte Diplomarbeit, Trier.

Haffner, P. (1961): Das atlantische und subatlantische Element in der Flora des Saarlandes. – Aus Natur & Landschaft im Saarland, Abhandlungen der Delattinia 36: 115-118, Saarbrücken.

Haffner, P. (1990): Geobotanische Untersuchungen im Saar-Mosel-Raum.- Aus Natur & Landschaft im Saarland, Abhandlungen der Delattinia 18: 9-383, Saarbrücken.

Holz, I. (1988): Zur Verbreitung und Ökologie des Efeublättrigen Moorglöckchens (Wahlenbergia hederacea) im südwestl. Teil des Schwarzwälder Hochwaldes. Informationssammlung zum Schutz einer vom Aussterben bedrohten Pflanzenart. Facharbeit in Biologie. 1-27.

Sauer, E. (1993): Die Gefäßpflanzen des Saarlandes mit Verbreitungskarten. Sonderband 5. - Aus Natur und Landschaft im Saarland. Wissenschaftl. Schriftenreihe der Obersten Naturschutzbehörde u. Delattinia, 708 S., Saarbrücken.

Schultz, F. W. (1846): Flora der Pfalz. – 575 S., Nachdruck 1971, Pirmasens.

Wiemann, D. (1930): Die Flora des Westrichs.- S. 15-24 in: Westrich-Verein (Hrsg.): Westrich-Führer. 2. Aufl.: 15-24, Kaiserslautern: Thieme

Autoren:

Rüdiger Mues, Thomas Schneider, Steffen Caspari & Winfried Minninger

 

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Areal und Vorkommen des Moorglöckchens (Wahlenbergia hederacea) Mitte der 1980er Jahre im Saar-Ruwer-Hunsrück und angrenzenden Räumen

Wer Vorkommen des Moorglöckchens kennt, den bitten wir uns diese mitzuteilen: per E-Mail an Rüdiger Mues oder Thomas Schneider. Bitte mit möglichst genauer Angabe der Fundstelle, am besten mit der Markierung auf einer Karte oder einem Luftbild, oder einer Koordinate . Oder gleich auf FFIpS, dem neuen Faunistisch-Floristischen Informationsportal Saarland.