Delattinia News

Tag der Artenvielfalt - Trockenmauer im ehemaligen Weinberg bei Großhemmersdorf

Datum: 

12.06.2009

Ort: 

Großhemmersdorf

Bei einer Exkursion am 26.05.2005 wurden folgende bemerkenswerten Spinnenarten an diesem Hang festgestellt:

  • Talavera inopinata
     
  • Liocranum rupicola
    Dies war der Erstfund für das Saarland; bisher keine weiteren Funde im Saarland
     
  • Cetonana laticeps
    Seit dem Erstfund in Saarlouis-Picard nur hier ein weiteres Mal gefunden
     
  • Dipoena inornata
    ein Jungtier von Dipoena inornata mit gelben Beinen ohne Schwärzung
     
  • Atypus sp.

Dipoena inornata heißt heute Phycosoma inornatum und hat gewöhnlich gelbbraune Beine wobei die Tibia etwas dunkler ist (vgl. z.B. Bericht zum Leuktal[Link fehlt]). Der Schluß von 2005, dass bei Jungtieren diese Schwärzung wohl auch einmal fehlen könnte, erweist sich allerdings nach den Ergebnissen der diesjährigen Exkursion als falsch.

Diesmal wurden nämlich gleich mehrere Tiere aus der Gattung Dipoena mit reingelben Beinchen gefunden, darunter auch bestimmbare adulte Exemplare. Es handelt sich hierbei um eine weitere seltene Dipoena-Art, Dipoena erythropus.

Auch die anderen bemerkenswerten Arten Talavera inopinata, Liocranum rupicola und Cetonana laticeps konnten bestätigt werden. Allein Phycosoma konnte nicht wiedergefunden werden.

Nachdem in diesem Frühjahr vom Erstfund der Agelenidae Textrix denticulata im Nahe-Bergland berichtet werden konnte (vgl. Bericht: Leienberg bei Hinzweiler[Link fehlt!]), hier nun die Erstbeobachtung im Saarland.

 

Weitere bemerkenswerte Beobachtungen:

Während wir intensiv die Trockenmauer musterten, wurden wir unsererseits aus einer Mauerspalte heraus beobachtet:
Möglicherweise auch von diesen Tierchen, die man zahlreich aus dem Efeu herausklopfen konnte, der das Mauerwerk stellenweise überwucherte:
 

Und neben dem mittlerweile als ziemlich anspruchslos erkannten Lepismachilis y-signata kommt eine weitere Felsenspringerart auf der Trockenmauer vor: Trigoniophthalmus alternatus

 

Trigoniophthalmus alternatus

Bestimmungsrelevantes Merkmal für diese Art sind die dreieckigen Ocellen unter (= vor) den großen Komplexaugen.

Anmerkung:
Ein weitere Fund der Art gelang am 03.07.2009 im Steinbruch auf dem Eiderberg bei Freudenburg (leg. A. Staudt / E. Schaller)

Nach den Schaben-Aufsammlungen im letzten Jahr schien es sich bei Ectobius lucidus um eine seltene Art in der Großregion zu handeln. Diese Einschätzung muss nach den zahlreichen Funden in diesem Jahr etwas relativiert werden. Auch an der Trockenmauer bei Großhemmersdorf war die Art vertreten:

 

 

Ectobius lucidus

Tag der Artenvielfalt - Aufgelassener Kalksteinbruch südl. Hemmersdorf

Datum: 

12.06.2009

Ort: 

Hemmersdorf
Pyrola rotundifolia (links), Bartflechte Bryoria fuscescens (rechts)
Pyrola rotundifolia (links), Bartflechte Bryoria fuscescens (rechts)

Das weitläufige Gelände des ehemaligen Kalkbergwerks südlich Hemmersdorf entstand, als in der Stahlindustrie des Saarlandes noch Löschkalk in großen Mengen gebraucht wurde. Diese Zeiten sind schon lange, wenn auch noch nicht ganz so lange wie der Weinanbau im Gebiet um Hemmersdorf, vorbei. Durch Einsturz der alten unterirdischen Kammern entstand das Gebiet, dass dem heutigen Besucher als Steinbruchgelände erscheint. Da es wegen der Einsturzgefahr nicht bewirtschaftet werden kann, konnte sich ein wichtiges Rückzugsgebiet für seltene Pflanzen- und Tierarten entwickeln, das aufgrund seiner Lage, Größe und Artenausstattung heute Teil des europäischen Schutzgebiets-Netzes NATURA 2000 geworden ist. Die natürliche Sukzession, der eigentliche Grund für die heutige Bedeutung des Gebietes, ist aber zugleich auch der größte Gefährdungsfaktor. Die optimale Mischung von 30% offener Magerrasen, 30% locker verbuschter Magerrasen und 30% Gebüsch ist längst zu Gunsten der Verbuschung überschritten.

In diesem Zusammenhang und mit Blick auf die heutige und zukünftig wohl noch bescheidenere Ausstattung des Naturschutzes mit finanziellen Mitteln erscheint eine Diskussion zum Thema "Pflege mit Feuer" längst überfällig.

In Kalksteinbrüchen aber auch auf den Abraumhalden und trockenen Absinkweihern der Montanindustrie konnten sich in der gesamten Großregion im Verlauf der letzten 50 Jahre große Bestände der beiden Wintergrünarten Pyrola minor und P. rotundifolia etablieren. Insbesondere Pyrola rotundifolia, früher die seltenere Art, vergrößert augenscheinlich seit ca. 10-20 Jahren ihre Bestände massiv.

Flechten bilden im gesamten Gelände auffällige Bestände. Alle Bäume und Sträucher sind dicht mit Flechten bewachsen. An luftfeuchten, schattigen Stellen tragen die Bäume regelrechte Mähnen und Bärte.

Libellen würde man im ersten Moment zwar nicht mit einem Trockengebiet in Verbindung bringen, aber gerade die Arten der Gattung Gomphus sind bekannt dafür, dass sie sehr gerne weit herumfliegen und dann auch mal kilometerweit vom nächsten Fließgewässer entfernt zu beobachten sind:

Bemerkenswerte Arten:

 

Die Wanze Heterocyrdylus genistae, lebt, wie der Artname schon andeutet, besonders gerne an Färberginster. Sie wurde erst kürzlich erstmals für das Saarland gemeldet. Wir denken, dass eine gezielte Suche an Färberginster sicherlich noch viele Funde ermöglichen würde.

Hylyphantes nigritus: Innerhalb weniger Tage (siehe oben Beitrag "Gauberg") jetzt schon der zweite Nachweis der Art im Saarland.

Salticus zebraneus ist leicht mit dem an Hauswänden (und Felsen) häufigen Salticus scenicus zu verwechseln. Die Art lebt auf der Baumrinde alter Bäume und ist ausgewachsen deutlich kleiner als S. scenicus. Da die Muster auf dem Hinterleib bei beiden Arten etwas variabel sind, fällt auch dem erfahrenen Arachnologen bei manchen Tieren die Bestimmung nach äußerlichen Merkmalen schwer. Angemessene Fangmethode für diese Art sind Baumeklektoren, die aber selten eingesetzt werden. Entsprechend dürfte die Art im gesamten Bundesgebiet deutlich unterkartiert sein. Allerdings ist auch Salticus scenicus unterkartiert, da Arachnologen selten im Hausbereich sammeln.

Tag der Artenvielfalt - Gauberg bei Siersdorf

Datum: 

11.06.2009

Ort: 

Gauberg, Siersdorf
Dicranopalpus ramosus, Jungtier
Dicranopalpus ramosus, Jungtier - Fotos erwachsener Tiere aus der Umgebung von Metz findet man hier.

Der folgende Artikel schildert die Ergebnisse einer Exkursion am 11.06.2009:

Der Gauberg, ein sonnenexponierter Prallhang der Nied bei Siersdorf, ist schon lange als Naturschutzgebiet ausgewiesen, und von den standörtlichen Gegebenheiten her für den Artenschutz von besonderer Bedeutung. Allerdings hat die Sukzession den Hang voll im Griff und bis die gerade angelaufenen Pflegemaßnahmen wirklich greifen, wird sicherlich noch einige Zeit verstreichen.

Und obwohl die Exkursion, was das Wetter betraf, unter keinem guten Stern stand, hielt der Gauberg doch einige Überraschungen bereit.

Beginnen wir mit den arachnologischen:
Da wäre dieser winzige, kaum 1 mm große juvenile Weberknecht, der aber dank der auffälligen, daumenartigen Apophysen (Anhängsel) an den Tastern in jedem Stadium eindeutig bestimmbar ist: Dicranopalpus ramosus.

Es handelt sich bei dieser Art wieder einmal um einen Neozoon, der schon vor einiger Zeit in die atlantischen Region Westeuropas vorgedrungen ist und sich mittlerweile in Großbritannien, Belgien und den Niederlanden voll etabliert hat. Nun beginnt er auch vom Niederrhein her ins Ruhrgebiet vorzudringen (Nachweiskarte, man beachte dass alle Nachweise aus dem Zeitraum 2000-2009 stammen!). Die Erstmeldung für Deutschland erfolgte im Jahr 2004 (Schmidt, 2004).
Über die Situation in Lothringen liegen mir nur spärliche Informationen vor, z.B. ein Hinweis, dass die Art sich schon lange im Stadtbild von Metz etabliert hat (IORIO 2007). Dies und meine eigenen Beobachtungen (Pagny-La-Blanche-Côte, Écrouves[Link fehlt!]) zeigen, dass die Art aber auch den klassischen Einwanderungsweg über das Moseltal nimmt bzw. bereits genommen hat. Dass sie nun auch an der Nied im Saarland auftaucht, war somit irgendwie doch zu erwarten.

Was könnte wohl an dieser nur ca. 3 mm großen Zwergspinne so interessant sein, dass sie hier als Besonderheit aufgeführt wird?
Es können gleich drei Gründe genannt werden:

  • Dies ist der erste Fund der Art im Saarland, und
  • die Art ist in Deutschland bisher nur von ganz wenigen Stellen bekannt, überwiegend aus Baden-Württemberg.
  • Andererseits ist die Art in Lothringen, Luxem-burg und möglicherweise auch in Belgien ziemlich häufig.

Punkt 3 lässt sich aus der Beobachtung ableiten, dass ich die Art nahezu bei jeder Exkursion in die genannten Regionen gefunden habe, in den >5000 Spinnen-Aufsammlungen aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz fehlt sie aber komplett. Die Art muss also in unserer Region eine Verbreitungsgrenze besitzen, eventuell stellt das Moseltal die Ostgrenze ihrer Verbreitung dar. Bzw. müßte man, da die Art auch in Osteuropa vorkommt, korrekterweise so formulieren: Die Mosel ist die Westgrenze einer großen Verbreitungslücke im Gesamtareal der Art, welche große Teile Deutschlands umfaßt.
Und nun ist Hylyphantes nigritus offenbar dabei diese Verbreitungslücke vom Südwesten her zu schließen. Das macht für den Arachnologen den Reiz bei dieser Art aus.

 

Weitere bemerkenswerte Arten am Gauberg bei Siersdorf:

Bezüglich der Orchideen ist der Gauberg für saarländische Verhältnisse und angesichts der extremen Standortverhältnisse mehr als bescheiden ausgestattet. Lediglich ein einziges Orchideenindividuum der Art Orchis insectifera konnte ich ausmachen.
Die Felsenspringer waren an Erdanrissen mit Lepismachilis y-signata vertreten. Diese Art dürfte nach den Beobachtungen aus dem vergangenen Jahr 2008 die häufigste Art im Saarland sein. Wahrscheinlich eine nahezu euryöke Art. 
Die thermophile Schabenart Ectobius pallidus ist im Saarland und Rheinland-Pfalz an Felsenstandorten nicht selten, auf Kalk-Halbtrockenrasen konnte ich sie zwar auch schon einfangen, allerdings nur in Lothringen.
Phymata crassipes, das Teufelchen, ist ebenfalls eine ausgesprochen thermophile Art.

Die folgenden Fotos sollen vor allem auf ein Defizit in der Erforschung der Heuschreckenfauna des Saarlandes hinweisen: Ist die Gattung Textrix auch im Saarland mit Tetrix bipunctata vertreten, oder nicht? In den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts war die Gruppe der Heuschrecken intensiv bearbeitet worden. Als Ergebnis dieser Arbeiten entstand 1996 ein Verbreitungsatlas (DORDA, MAAS & STAUDT 1996). Die Tetrigidae sind danach mit den drei Arten Tetrix undulata, T. tenuicornis und T. subulata im Saarland vertreten. Alle drei Arten sind im Saarland nicht selten, wobei sich bei Tetrix tenuicornis eine deutliche Bevorzugung der Muschelkalklandschaften zeigt und T. undulata dort deutlich seltener als im übrigen Land ist (und umgekehrt).
Für das Fehlen von Tetrix bipunctata im Saarland gibt es keinen einleuchtenden Grund. Nach der bundesweiten Verbreitungskarte wird die Art zwar nach Westen zu deutlich seltener, sie kommt aber durchaus auch in Rheinland-Pfalz, Luxemburg und Lothringen vor (Maas, Detzel & Staudt 2002).

Dieses hübsche Tetrix-Exemplar vom Gauberg ist jedenfalls nur ein ganz gewöhnlicher Tetrix tenuicornis:

Anmerkung: In Naturschutzgebieten ist das Sammeln von Tieren und Pflanzen, sowie das Betreten des Gebietes außerhalb der Wege auch im Saarland verboten. Der Autor bedankt sich daher bei der zuständigen Naturschutzbehörde für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung.

Literatur: 

Iorio, É. (2007): Nouvelle contribution à la connaissance des Opilions de Lorraine et notamment des espèces synanthropiques de Metz et sa banlieue (Arachnida, Opiliones). - Bull. Soc. Linn. Bordeaux, Tome 142, (N.S.) n°35 (3) 2007 : 311-318.
Schmidt, D. (2004): Der Weberknecht Dicranopalpus ramosus (Simon, 1909) (Arachnida, Opiliones, Phalangiidae) neu für Deutschland. - Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft westfälischer Entomologen 20 (1), 1-12.

Autor(en): 

A. Staudt

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Von Sandbienen und Wollschwebern - eine Fußnote zum Darwin-Jahr

Datum: 

18.04.2009

Ort: 

St. Ingbert

Die Weiden-Sandbiene Andrena vaga gehört zu den früh fliegenden Wildbienenarten. Sie legt ihre Bodennester gesellig in sandigem Boden an und sammelt Pollen von Salix-Arten, um die Nester mit Larvennahrung zu verproviantieren. Die auffallend mit gelbem Pollen beladenen Weibchen bleiben dem aufmerksamen Blick des Spaziergängers ebenso wenig verborgen wie verschiedenen Parasitoiden unter den Insekten, die den vom Beuteflug heimkehrenden Wirtsbienen auflauern, um ihre Kuckuckseier in deren Nester zu legen. 

 

Darwins Selektionstheorie beruht bekanntlich u.a. auf der Beobachtung, dass trotz eines hohen Nachkommensüberschusses die Populationen der meisten Arten langfristig konstant bleiben. Die Mehrzahl der Nach-kommen müsse also verschiedenen Umweltfaktoren zum Opfer fallen wie Fressfeinden, Parasit(oid)en, ungünstiger Witterung usw.

Wie hoch der Tribut ist, den Wildbienen an Parasitoide zu entrichten haben, mögen folgende Beobachtungen zeigen:
Schauplatz des kleinen Dramas ist eine kaum zwei Quadratmeter große Kolonie der Weiden-Sandbiene Andrena vaga an einem südexponierten, sandigen und bodenoffenen Wegrand im Wald ("Franzosengrab") zwischen St. Ingbert und Rohrbach. Die Kolonie beginnt, je nach Witterung, meist im März (im Jahre 2007 bereits am 12.März) sich zu beleben, wenn die Sandbienen-Männchen dicht über dem Sandboden patrouillieren in Erwartung paarungsbereiter Weibchen, die erst nach ihnen schlüpfen. Dann erscheinen weitere Akteure auf der Bühne, um ihren Part zu spielen: Wollschweber (Bombylius maior), Kuckucksbienen (Nomada lathburiana), Blutbienen (Sphecodes spec.), parasitoide Fliegen aus der Familie der Sarcophoridae (Miltogramma spec.) und schließlich Rote Waldameisen (Formica spec.), welche vor allem die Rolle des Totengräbers, weniger die des Prädators spielen.
Ob die sporadisch am Schauplatz des Geschehens erscheinenden Feld-Sandlaufkäfer (Cicindela campestris) Mitspieler, Statisten oder Zuschauer sind, kann nicht beurteilt werden.

 

Kuckucksbiene (Nomada lathburiana) belauert heimgekehrtes Andrena vaga-Weibchen (Foto: Ulf Heseler)
Der auffälligste Parasitoid ist der Große Wollschweber (Bombylius maior), ein pelzig behaarter, mit einem langen, nicht einziehbaren Saugrüssel versehener Zweiflügler, der in Kolibrimanier mit schwirrenden Flügeln vor den Blüten von Frühblühern steht, um Nektar zu saugen. Ständig fliegen mehrere Weibchen über der Sandbienen-Kolonie, tauchen die Abdomenspitze in den trockenen Sand, um die Eier mit einer feinen Staubschicht einzupudern und sie dann aus dem Flug auf die Wildbienennester zu werfen.
Die Entwicklung der Larven ist polymetabol: die beweglichen Erstlarven suchen die Wirtsnester auf und ernähren sich dort in den folgenden Stadien als träge Maden zunächst vom Futtervorrat der Wirtslarve, dann von dieser selbst. Nach der Überwinterung als Larve verpuppen sie sich im Wirtsnest. Die mit Borsten und Dornen versehene bewegliche Puppe gräbt sich im Frühjahr aus ihrem unterirdischen Verlies ins Freie, wo die Imaginalhäutung erfolgt.

 

Vor zwei Jahren wollte es der Zufall, dass ich Zeuge des Schlupfakts wurde: ein Dutzend teilweise noch nicht pigmentierter Wollschweber-Imagines hingen an einem warmen Märztag (13.03.07) unbeweglich an Halmen in der Kolonie ihres Wirtes, unter ihnen am Boden die leeren Puppenhüllen. Die Sandbienen nahmen nicht die geringste Notiz von ihren nun erwachsen gewordenen Wechselbälgen. Die Puppen-Exuvien wurden abgesammelt: es waren nicht weniger als 30 Exemplare, am nächsten Tag wurden weitere 40 Ex. aufgelesen, am folgenden Tag blieb die Nachsuche ergebnislos. Die Summe von 70 Puppenhäuten muss aber vermutlich nach oben korrigiert werden angesichts all derer, welche nicht gefunden, vom Winde verweht oder vielleicht von Ameisen davongetragen worden waren.

In diesem Jahr, 2009, lieferte ein Besuch am 12.04.09 an derselben Kolonie die Ausbeute von sage und schreibe 104 Bombylius-Exuvien. Die Beobachtungen mussten leider für ein paar Tage unterbrochen werden. Am 18.04.09, einem Regentag, wurden in der Kolonie weitere 25 Puppenexuvien gefunden, vermutlich solche, welche am 12.04.09übersehen worden waren, denn meine Beobachtungen lassen vermuten, dass die meisten Tiere innerhalb der kurzen Zeitspanne von 1-2 Tagen schlüpfen. Ein weiterer Kurzbesuch am folgenden Tag, kurz vor Mittag, bei besseren Wetterbedingungen (Sonne), erbrachte weitere 43 Puppenhäute, angesichts der nasskalten Witterung der vorangegangenen Tage sicher nicht die von frisch geschlüpften Tieren. Denn in der Kolonie schien das Leben nach mehrtägigem Regen bis auf zwei träge Sandbienen und eine Nomada lathburiana erloschen zu sein. Wollschweber zeigten sich nicht.

 

(Für Hinweise von Dipteren-Experten zu Miltogramma wäre der Autor dankbar).

Diese Erfahrung zeigt, dass die Dunkelziffer der (z.B. in Falllaub und Grasbüscheln) unentdeckt bleibenden Exuvien hoch sein muss. Es ist daher sicher nicht übertrieben anzunehmen, dass in diesem Jahr wohl mindestens 200 Wollschweber allein von dieser kleinen Sandbienen-Kolonie "erbrütet" worden sind. Wenn man die schwieriger zu beziffernden Verluste durch Kuckuckucks-Bienen, parasitoide Fliegen und Räuber hinzurechnet, muss der Aderlass enorm sein, dem die Sandbienen-Population alljährlich ausgesetzt ist.
Und dennoch existiert die Kolonie unvermindert seit vielen Jahren, dank einer Fortpflanzungsrate, die sich im Laufe der Evolution auf diese Verluste eingestellt haben muss.
Interessant ist, wie bereits angedeutet, dass in der Sandbienen-Kolonie keine aggressiven Interaktionen zwischen Wirt und Parasitoid beobachtet wurden, die Wirtsbienen also nichts unternehmen, um sich ihrer Plagegeister zu erwehren, als habe sich bei einer entsprechend "eingestellten" Fortpflanzungsrate die Entwicklung besonderer Abwehrstrategien erübrigt.

Literatur: 

Bellmann, H. (1999): Der neue Kosmos-Insektenführer. Stuttgart.
Jacobs, W. (1998): Biologie und Ökologie der Insekten: ein Taschenlexikon/begr. von Werner Jacobs und Maximilian Renner. - 3.Aufl./ überarb. von Klaus Honomichl. - Stuttgart; Jena; Lübeck; Fischer.
Müller,A. ,Krebs, A. & Amiet, F. (1997): Bienen. Mitteleuropäische Gattungen, Lebensweise, Beobachtung.
Naturbuch-Verlag, München.
Westrich, P (1990): Die Wildbienen Baden-Württembergs. Allgemeiner Teil. Ulmer, Stuttgart.

Autor(en): 

Ulf Heseler

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