Der folgende Artikel schildert die Ergebnisse einer Exkursion am 11.06.2009:
Der Gauberg, ein sonnenexponierter Prallhang der Nied bei Siersdorf, ist schon lange als Naturschutzgebiet ausgewiesen, und von den standörtlichen Gegebenheiten her für den Artenschutz von besonderer Bedeutung. Allerdings hat die Sukzession den Hang voll im Griff und bis die gerade angelaufenen Pflegemaßnahmen wirklich greifen, wird sicherlich noch einige Zeit verstreichen.
Und obwohl die Exkursion, was das Wetter betraf, unter keinem guten Stern stand, hielt der Gauberg doch einige Überraschungen bereit.
Beginnen wir mit den arachnologischen:
Da wäre dieser winzige, kaum 1 mm große juvenile Weberknecht, der aber dank der auffälligen, daumenartigen Apophysen (Anhängsel) an den Tastern in jedem Stadium eindeutig bestimmbar ist: Dicranopalpus ramosus.
Es handelt sich bei dieser Art wieder einmal um einen Neozoon, der schon vor einiger Zeit in die atlantischen Region Westeuropas vorgedrungen ist und sich mittlerweile in Großbritannien, Belgien und den Niederlanden voll etabliert hat. Nun beginnt er auch vom Niederrhein her ins Ruhrgebiet vorzudringen (Nachweiskarte, man beachte dass alle Nachweise aus dem Zeitraum 2000-2009 stammen!). Die Erstmeldung für Deutschland erfolgte im Jahr 2004 (Schmidt, 2004).
Über die Situation in Lothringen liegen mir nur spärliche Informationen vor, z.B. ein Hinweis, dass die Art sich schon lange im Stadtbild von Metz etabliert hat (IORIO 2007). Dies und meine eigenen Beobachtungen (Pagny-La-Blanche-Côte, Écrouves[Link fehlt!]) zeigen, dass die Art aber auch den klassischen Einwanderungsweg über das Moseltal nimmt bzw. bereits genommen hat. Dass sie nun auch an der Nied im Saarland auftaucht, war somit irgendwie doch zu erwarten.
Was könnte wohl an dieser nur ca. 3 mm großen Zwergspinne so interessant sein, dass sie hier als Besonderheit aufgeführt wird?
Es können gleich drei Gründe genannt werden:
- Dies ist der erste Fund der Art im Saarland, und
- die Art ist in Deutschland bisher nur von ganz wenigen Stellen bekannt, überwiegend aus Baden-Württemberg.
- Andererseits ist die Art in Lothringen, Luxem-burg und möglicherweise auch in Belgien ziemlich häufig.
Punkt 3 lässt sich aus der Beobachtung ableiten, dass ich die Art nahezu bei jeder Exkursion in die genannten Regionen gefunden habe, in den >5000 Spinnen-Aufsammlungen aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz fehlt sie aber komplett. Die Art muss also in unserer Region eine Verbreitungsgrenze besitzen, eventuell stellt das Moseltal die Ostgrenze ihrer Verbreitung dar. Bzw. müßte man, da die Art auch in Osteuropa vorkommt, korrekterweise so formulieren: Die Mosel ist die Westgrenze einer großen Verbreitungslücke im Gesamtareal der Art, welche große Teile Deutschlands umfaßt.
Und nun ist Hylyphantes nigritus offenbar dabei diese Verbreitungslücke vom Südwesten her zu schließen. Das macht für den Arachnologen den Reiz bei dieser Art aus.
Weitere bemerkenswerte Arten am Gauberg bei Siersdorf:
Bezüglich der Orchideen ist der Gauberg für saarländische Verhältnisse und angesichts der extremen Standortverhältnisse mehr als bescheiden ausgestattet. Lediglich ein einziges Orchideenindividuum der Art Orchis insectifera konnte ich ausmachen.
Die Felsenspringer waren an Erdanrissen mit Lepismachilis y-signata vertreten. Diese Art dürfte nach den Beobachtungen aus dem vergangenen Jahr 2008 die häufigste Art im Saarland sein. Wahrscheinlich eine nahezu euryöke Art.
Die thermophile Schabenart Ectobius pallidus ist im Saarland und Rheinland-Pfalz an Felsenstandorten nicht selten, auf Kalk-Halbtrockenrasen konnte ich sie zwar auch schon einfangen, allerdings nur in Lothringen.
Phymata crassipes, das Teufelchen, ist ebenfalls eine ausgesprochen thermophile Art.
Die folgenden Fotos sollen vor allem auf ein Defizit in der Erforschung der Heuschreckenfauna des Saarlandes hinweisen: Ist die Gattung Textrix auch im Saarland mit Tetrix bipunctata vertreten, oder nicht? In den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts war die Gruppe der Heuschrecken intensiv bearbeitet worden. Als Ergebnis dieser Arbeiten entstand 1996 ein Verbreitungsatlas (DORDA, MAAS & STAUDT 1996). Die Tetrigidae sind danach mit den drei Arten Tetrix undulata, T. tenuicornis und T. subulata im Saarland vertreten. Alle drei Arten sind im Saarland nicht selten, wobei sich bei Tetrix tenuicornis eine deutliche Bevorzugung der Muschelkalklandschaften zeigt und T. undulata dort deutlich seltener als im übrigen Land ist (und umgekehrt).
Für das Fehlen von Tetrix bipunctata im Saarland gibt es keinen einleuchtenden Grund. Nach der bundesweiten Verbreitungskarte wird die Art zwar nach Westen zu deutlich seltener, sie kommt aber durchaus auch in Rheinland-Pfalz, Luxemburg und Lothringen vor (Maas, Detzel & Staudt 2002).
Dieses hübsche Tetrix-Exemplar vom Gauberg ist jedenfalls nur ein ganz gewöhnlicher Tetrix tenuicornis:
Anmerkung: In Naturschutzgebieten ist das Sammeln von Tieren und Pflanzen, sowie das Betreten des Gebietes außerhalb der Wege auch im Saarland verboten. Der Autor bedankt sich daher bei der zuständigen Naturschutzbehörde für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung.