Delattinia News

Neue Funde der Gespensterwanze Phymata crassipes im Saarland.

Datum: 

18.06.2009

Ort: 

Rebenklamm, Reinheim
Phymata crassipes an der Rebenklamm bei Reinheim (Foto: U. Heseler, 18.06.2009)
Phymata crassipes an der Rebenklamm bei Reinheim (Foto: U. Heseler, 18.06.2009)
Phymata crassipes an der Rebenklamm bei Reinheim (Foto: U. Heseler, 18.06.2009)
Phymata crassipes an der Rebenklamm bei Reinheim (Foto: U. Heseler, 18.06.2009)

Die Gespensterwanze Phymata crassipes zählt zu den bizarrsten Arten unserer Wanzenfauna. Sie gehört zur Familie der Reduviidae (Raubwanzen) und ist die einzige heimische Vertreterin der Unterfamilie der Phymatinae. Die morphologischen Abweichungen von den Raubwanzen sind allerdings so groß, dass die Gespensterwanzen auch in eine eigene Familie eingeordnet werden.
Die Gattung Phymata ist mit 80 Arten in Neotropis und Nearktis, aber nur mit vier Arten in der Paläarktis vertreten. In Mitteleuropa kommt nur die Art P. crassipes vor, eine nach WACHMANN et al. (2006) nur in SW-Deutschland etwas häufigere Art; im Saarland ist sie jedoch mit bislang nur 5 Nachweisen eher eine Rarität.

Die Vorderbeine dieser unverkennbaren Art sind zu Fangbeinen umgewandelt, dabei werden die Schienen (mit den verkümmerten Fußgliedern) gegen die Schenkel eingeklappt. Mit ihnen ergreift der von Wanzenfreunden liebevoll "Teufelchen" genannte Lauerjäger seine Beute. Die Körpergestalt erinnert an vertrocknete Pflanzenteile. Die Fühler werden in Ruhe in seitlich am Kopf verlaufenden Rinnen eingelegt. Die xero-thermophile Art ist auf Blüten in trocken-warmen Habitaten wie Kalkmagerrasen, und Felsheiden zu finden, wo die Tiere, ähnlich wie Krabbenspinnen, Blütenbesucher erbeuten, die deutlich größer sein können als sie selbst.

Die bis 2006 einzigen Nachweise im Saarland stammen von Aloysius Staudt, der die Art in den Jahren 2002 - 2003 bei Saarfels/Beckingen (Newsartikel), im NSG Badstube bei Mimbach (Newsartikel vom 11.05.2003) und im NSG Hammelsberg bei Perl (Newsartikel vom 27.06.2003) fand (KALLENBORN 2006).
Am 15. Juli 2006 gelang dem Autor dieser Zeilen ein vierter Nachweis der Art, zugleich ein Erstnachweis für den Naturraum Saar-Blies-Gau: in einem Kalkmagerrasen am Osthang des Würzlings südl. Bebelsheim (6808/415) wartete auf dem Blütenkopf einer Margerite ein subadultes Exemplar auf Beute. 

Es sollten zwei Jahre vergehen, bis der nächste Nachweis gelang: Am 18. Juni 2009 wurden zwei adulte Tiere am Magerrasenhang nordwestl. der Rebenklamm nördl. Reinheim gefunden.
Das eine Tier, das sich durch seine dunklere Färbung als Männchen auswies, hatte auf dem Blütenstand einer Margerite eine nicht bestimmte kleine Hymenoptere erbeutet. Nachdem der Räuber die Überreste seiner ausgesaugten Beute fallen gelassen hatte, fuhr sein Rüssel in die Röhrenblüten seines Blumenansitzes, als wollte das - eigentlich als rein zoophag geltende -Tier mit einem Schluck Nektar seine Mahlzeit beschließen.
Die Wanze erklomm schließlich die Zungenblüten ihrer Warte, um davon zu fliegen. Wenige Meter entfernt wurde abermals ein männliches Exemplar, ebenfalls auf einer Margerite, gefunden. Der Vergleich der Belegfotos läßt freilich vermuten, dass es sich möglicherweise um dasselbe Tier gehandelt hat.
Schließlich wurde, keinen Steinwurf entfernt, ein ebenfalls adultes Exemplar auf dem Blütenstand einer Skabiose entdeckt. Die eher gelbbraune Färbung lässt hier auf ein Weibchen schließen. Auch dieses Tier hielt nur magere Kost, einen millimetergroßen schwarzen Käfer, in seinen Fängen.
Vielleicht regen die geschilderten Beobachtungen auch heteropterologische Laien dazu an, nach diesen interessanten und leicht kenntlichen Wanzen Ausschau zu halten, denn es bedarf zu ihrer Bestimmung keiner Spezialkenntnisse. Angesichts der Vielzahl gut geeigneter Biotope im Saarland ist sicher mit weiteren Nachweisen zu rechnen.

Literatur: 

Kallenborn, H.G. (2006): Copium clavicorne (LINNAEUS, 1758), eine Blütengallen induzierende Tingide, und weitere Ergänzungen zur Wanzenfauna des Saarlandes (Insecta: Heteroptera).- Abh. der Delattinia 31: 79-87
Wachmann, E., Melber, A. & Deckert, J. (2006): Wanzen, Band 1. Die Tierwelt Deutschlands, 77. Teil. - Goecke & Evers, Keltern.
Wachmann, E. (1989): Wanzen beobachten - kennenlernen. Neumann-Neudamm, Melsungen. 

Autor(en): 

Ulf Heseler

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Erster Fund der Kugelspinne Steatoda triangulosa im Saarland.

Datum: 

17.06.2009

Ort: 

Saarlouis-Picard
Steatoda triangulosa, Weibchen, in Saarlouis-Picard
Steatoda triangulosa, Weibchen, in Saarlouis-Picard

Steatoda triangulosa ist eine thermophile Kugelspinne, die seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts für die Wärmegebiete um Mainz herum bekannt ist. So schreibt BRAUN (1957), dass die Art, damals hieß sie noch Teutana triangulosa, auf dem Campus der Universität Mainz "ungemein häufig" sei, er aber auch Tiere in Mainz-Bretzenheim im Freien gefunden habe. Seit dieser Zeit hat sie sich stetig aber langsam im Oberrheingraben und wohl auch am Mittelrhein ausgebreitet, ist aber synanthrop geblieben.
In Folge der derzeitigen Wärmeperiode ist es nun offenbar zu einem massiven Invasionsschub gekommen, denn seit ca. 10 Jahren wird die Art vermehrt von Laien in häuslicher Umgebung in ganz Deutschland beobachtet. Die professionellen Arachnologen dagegen haben sich hier wieder einmal eine Gelegenheit entgehen lassen, das Ausbreitungsverhalten von Arthropoden gezielt erforschen zu können.
Nun ja, dies trifft ja auch auf die Spinnenforschung im Saarland zu, denn obiges Exemplar mußte sich erst persönlich im Büro des ältesten saarländischen Spinnenforschers vorstellen, um als neue Art im Saarland überhaupt erst wahrgenommen zu werden.

Fund der Violetten Sommerwurz Orobanche purpurea im NO-Saarland.

Datum: 

14.06.2009

Ort: 

Güdesweiler
Orobanche purpurea 2009 in Güdesweiler (Foto: Rudi Dupré)
Orobanche purpurea 2009 in Güdesweiler (Foto: Rudi Dupré)
Orobanche purpurea 2009 in Güdesweiler (Foto: Rudi Dupré)
Orobanche purpurea 2009 in Güdesweiler (Foto: Rudi Dupré)

Die Violette Sommerwurz gehört zu den seltensten Pflanzenarten des Saarlandes. Hinzu kommt eine gewisse natürliche Unbeständigkeit an ihren Wuchsorten, so dass die Begegnung mit dieser Art auch für den professionell tätigen Botaniker immer ein besonderes Erlebnis bleibt.
Die letzte Beobachtung reicht z.B. bereits in das Jahr 2002 zurück und wurde ebenfalls hier veröffentlicht.
Frau Marianne Scherer fand die Art nun Mitte Juni im Nordost-Saarland und stellte uns die Fotos zur Verfügung.

Der Fundort liegt auf der Gemarkung Güdesweiler, Flur 2, Flurstücke 45/1, 45/2, Auf der Kirschendell (NE Silzwald, MTB 6408/422, Gauss-Krüger-Rechtswert 2580600, Hochwert 5488950, 14.06.2009).

Bemerkenswert am aktuellen Fund (ca. 50 Exemplare) ist auch der Wuchsort in Güdesweiler. Es handelt sich hier offensichtlich um eine sehr intensiv genutzte Wiese (Weidelgras-Weißklee-Typ). Normalerweise präferiert die Art nämlich sehr extensiv genutzte (bis fast brachliegende), sehr magere Trockenhügel.

Karte

Tag der Artenvielfalt - Prallhang der Nied nordwestl. Niedaltdorf

Datum: 

13.06.2009

Ort: 

Niedaltdorf
Felsenspringer Lepismachilis y-signata
Felsenspringer Lepismachilis y-signata

Ziel der arachnologischen Hauptexkursion am Tag der Artenvielfalt war der ostexponierte, bewaldete Prallhang der Nied nordwestlich Niedaltdorf. Besondere Lebensraumtypen dort sind kleinere, mit Moosen überwachsene Kalkschutthalden und eine Quellrinne mit Sinterterrassen und Kalktuffe. Erfahrungsgemäß sind an solchen Standorten mit der Sammelmethode Handfang und Klopfschirm/Kecher keine nennenswerten Spinnenarten zu erwarten. Dies bestätigte sich auch bei dieser Aufsammlung.

Felsenspringer in einem dunklen, luft- und bodenfeuchten Wald war eine echte Überraschung. Die Tierchen leben dort im unteren Stammbereich von Bäumen, die mit Efeu dicht bewachsen sind. Das Habitat ist, vorausgesetzt es läuft kein Regenwasser direkt am Stamm entlang, ziemlich trocken.
Wenn allerdings felsenartige Elemente für die Habitat-ausstattung bei dieser Art überhaupt nicht notwendig sind, erhöht sich die Anzahl der potenziell möglichen Fundstellen im Saarland enorm.

Nebenstehendes Tierchen zeigt, dass die Evolution auch in der Ordnung der Spinnentiere ganz bizarre Lebensformen hervorgebracht hat. Es gehört zu den Brettkankern Trogulidae, die in der Laubstreu und am Boden leben. Körper (ca. 4 mm) und Beine sind mit Erdklümpchen getarnt. Die Gattung Anelasmocephalus ist in Mitteleuropa außerhalb der Gebirge lediglich mit einer einzigen Art Anelasmocephalus cambridgei vertreten, einem atlantisch-submediterranen Faunenelement.
Die Trogulidae leben von Mollusken und sind daher auf Kalk deutlich häufiger als auf kalkarmen Substraten.

 

Dies könnte z.B. eine potenzielle Beute für unseren Brettkanker sein:

Die folgende Stelzenwanze Metatropis rufescens ist an Hexenkraut Circaea lutetiana gebunden und damit ein typisches Faunenelement feuchter Laubwälder. In den Muschelkalkgebieten recht häufig, sonst etwas seltener.

 

Metatropis rufescens
 

Und hier ein weiteres Tier mit Stelzen, eine Stelzmücke aus der Familie der Limoniidae,
Epiphragma ocellaris:

Epiphragma ocellaris

Aber natürlich können die Spinnentiere auch beim Thema "Stelzen" mithalten: Platybunus pinetorum hat gleich acht Stück davon und zudem noch länger als bei den Konkurrenten. Die Art ist ein typisches Element der montanen bis submontanen Bergwälder im Nordsaarland und Hunsrück und dort auf Schritt und Tritt zu finden. In den collinen Wäldern des mittleren und südlichen Saarlands sehr viel seltener.

Platybunus pinetorum
 

Zum Abschluß des Berichts das Belegfoto einer Großlibelle, die wir ganz am Anfang unserer Exkursion noch im Ort selbst an einer Hauswand beim Wärmetanken beobachten konnten:

Gomphus vulgatissimus

Aus dem Niedgebiet sind noch zwei weitere Gomphidenarten bekannt:
Ophiogomphus cecilia (Grüne Keiljungfer) und Onychogomhus forcipatus (Kleine Zangenlibelle)

Dank an Bernd Trockur (Libellen) und Carsten Renker (Mollusken) für Bestimmungshilfen